Die 'Letzte Generation' im Knast (Teil 3): Micha Frey

 Foto: Letzte Generation / Micha Frey

Dr. Mark Benecke: Yo, Micha, was hast du in den letzten Tagen im Knast erlebt? Wie war es für dich?

Micha: Ich saß 7 Tage im Gefängnis, nachdem ich friedlich auf einer Straße in Passau protestiert habe und so versucht habe, meinen Beitrag zu leisten, die Gesellschaft vor der bevorstehenden Klimakatastrophe zu warnen und der Regierung klarzumachen, dass wir ihr Versagen nicht weiter hinnehmen werden. 

Da ich diesen Protest nicht bereue, und im Gefängnis auch sehr viele Briefe der Solidarität bekam war es gut durchstehbar. Trotzdem ist es natürlich erschreckend am eigenen Leib zu erleben, dass die Politik lieber Menschen wegsperrt, anstatt im Interesse von uns allen endlich die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen einleitet.

Was hast du getan, um die Abgeschiedenheit in der Einzelhaft auszuhalten? Du kannst ja nicht tagelang nur Briefe lesen?

Ich habe zweimal am Tag ein kleines Workout, also Sit-Ups, Liegestütze und so gemacht, viel Fernsehen geschaut und 2 Bücher gelesen. Wenn Briefe ankamen war dies natürlich immer das Highlight des Tages und ich habe mich an das Lesen und teilweise beantworten der Briefe gemacht. Auch wurden mir von einigen Menschen Sudokurätsel reingeschickt mit denen ich ein paar Stunden totschlagen konnte.

Du warst ja nicht als erster Mensch der Letzen Generation im Bau — wie hast du dich vorbereitet?

Ich war bereits im November letzten Jahres schon einmal eine Woche in der JVA München und damals hatte ich auch damit gerechnet, da bereits vor mir Menschen weggesperrt wurden und ich bewusst ihren Platz auf der Straße eingenommen habe. 

Damals hatte ich mich mit anderen vorbereitet auf die gemeinsame Zeit im Gefängnis. Wir haben uns über unsere Rechte in Gewahrsam informiert und uns auch damit beschäftigt, welche psychischen Herausforderungen aufkommen können und wie diesen zu begegnen sei. Diesmal wurde ich überrascht und war allein. Trotzdem konnten mir meine Erfahrungen von November weiterhelfen.

Was haben die Mithäftlinge gesagt? Finden die es nicht seltsam, dass du für Umwelt-Aktionen eingesperrt wirst?

Mir wurde grundsätzlich jeglicher Kontakt zu anderen Häftlingen verwehrt, da ich in Gewahrsam und somit kein normaler Häftling sei, so die wenig einleuchtende Begründung der Polizei für meine de facto Isolationshaft. 

Lediglich im Warteraum vor der Aufnahme auf meine Station in der JVA konnte ich mich mit einem anderen Gefangenem unterhalten, der es sehr absurd fand, dass man für Klimaprotest hier in der JVA lande. Er drückte mir seine Solidarität auch aus, in dem er mir 10 € zusteckte, da ich fast ohne Bargeld in die JVA kam und mir somit nichts kaufen hätte können. 

Alle zwei Wochen hat man nämlich auch in einem Gefängnis die Möglichkeit Dinge des täglichen Bedarfs, wie etwa bestimmte Lebensmittel oder Hygieneartikel zu kaufen. Eine sehr nette Geste, wie ich finde und doch irgendwie bezeichnend, dass wir selbst im Gefängnis Sympathie und Spenden erhalten, obwohl uns doch angeblich die große Mehrheit doof findet.

Findest du, dass es private Teile deines Lebens (wie Urlaub) und sozusagen "dienstliche" Teile (wie Aktionen) gibt oder ist das für dich dasselbe und du trennst es nicht?

Ich trenne es nicht. Ich befinde mich im Widerstand gegen unsere Bundesregierung, die die Verfassung bricht und unser Überleben gefährdet Das ist für mich natürlich keine dienstliche Pflicht, sondern ich empfinde es als meine Bürgerpflicht und halte es für eine grundsätzlich sehr persönliche Gewissensentscheidung, die nicht um 17 Uhr Feierabend macht. 

Gleichzeitig erwarte ich nicht von anderen, die sich an unserem Protest beteiligen, dass in ihrem Leben bei allen Entscheidungen immer der Klimaschutz als oberste Maxime steht. Denn abzuwenden ist die Katastrophe nur durch kollektive Handlung. Ich kann also nicht erwarten, dass bevor wir gegen die Regierung auf die Straße gehen, alle die mitgehen, ihr Leben umgestellt haben. Die Regierung muss dafür die Weichen stellen. 

Auch wer letzte Woche in Urlaub geflogen ist und täglich Auto fährt wird von der Regierung belogen und hat ein Recht auf Leben gegenüber der Regierung einzufordern. Sie entscheidet maßgeblich über dem Ausstoß an Emissionen und deren Beschränkung. Besonders über die (Nicht-)Beschränkung der Superreichen, welche für einen Großteil der Emissionen verantwortlich sind.

Warum verstehen die Menschen — aus deinen Gesprächen in den letzten Monaten heraus abgeleitet — nicht, dass wir wissenschaftlich gesehen nicht mehr bis zum Jahr 2035 oder 2050 Zeit haben, um die "Klima-Ziele" umzusetzen? Was hindert die Menschen daran, etwas ernster an die Sache heran zu gehen? Aktionen gibt es ja zuhauf, und Informationen ebenso.

Ich glaube, dass der Kern des Problems in der unehrlichen Kommunikation der Bundesregierung liegt. Die Erzählung der Regierung hat sich sehr stark von den wissenschaftlichen Fakten und Szenarien entfernt. 

Wir sehen, dass die Bundesregierung mit ihrer Politik eher den Interessen der fossilen Großunternehmen folgt, anstatt dem Interesse der Normalbevölkerung, die es sich eben nicht leisten kann in eine zukünftigen Klimahölle, auf die wir zusteuern, sich in einem Luxusbunker in Neuseeland zurückzuziehen! 

Die Dramatik der Klimakrise und das damit verbundene Versagen der Regierung wird leider noch nicht von genügend Menschen erkannt, da es natürlich angenehmer ist, dem Narrativ der Regierung und Teilen der Medien zu glauben, dass es alles nicht so apokalyptisch werden wird und eine langsame Klimaanpassung möglich sei. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die Klimakrise ein sehr komplexes und abstraktes Problem darstellt, wofür unser menschliches Gehirn einfach nicht gut ausgelegt ist, um es wirklich zu begreifen. 

Dass hohe Emissionen durch einen Flug oder das Heizen mit Öl direkt mit Tod und Leid in anderen Ländern zusammenhängt, wird so einfach noch nicht nachvollzogen als direkte Kausalität.


Letzte Generation – Maja

Interview Teil 1


Letzte Generation – Charly

Interview Teil 2


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Vortrag zum Artensterben im EU-Parlament, 2022


Die ‘Letzte Generation’ im Knast: Sophia

Teil 4


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Letzte Generation | Caroline

Interview Teil 6


Letzte Generation – Moritz

Teil 7