Dong Dong - Mummy Tattoo

Quelle: Tätowiermagazin 06/2008, Seiten 64-70

Von Mark Benecke

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Dong Dong ist ein auffallend milder und konzentrierter Tätowierer. Obwohl sein Leben im mit Abstand angesagtesten Viertel Pekings (allerdings in der ersten Etage einer etwas altertümlichen Mall) liegt, herrscht dort stets tiefer Frieden. Nur einige in Formalin eingelegte Tiere, sein ägyptisches Logo und die ausschließlich von ihm und für jeden Kunden eigens angefertigten Bilder an den Wänden verraten, dass hier -mitten im weltweit größten Bau- und Geldrausch - etwas ganz Ungewöhnliches vor sich geht. Mark Benecke (chin. Name "Maliang") sprach für das TM mit dem Künstler.

Ahoi, Dong Dong, du zeichnest ja irre gut und offentsichtlich schon ewig. Wann hast du deinen ersten Tattoo-Laden aufgemacht?

Zwei Jahre, nachdem ich 1996 angefangen habe zu tätowieren. Der Laden war mitten in der Innenstadt, direkt an der "China Art Gallery", also nur zehn Taximinuten von der verbotenen Stadt entfernt.

Damals muss es ganz schön schwierig gewesen sein, an Ausrüstung ranzukommen.

Ja, sauschwierig. Aber das war nur eins der Probleme. Es gab auch sonst kaum Infos übers Tätowieren. Meine erste Maschine war zum Glück eine Micky Sharpz, die mir jemand mit Auslandskontakten besorgt hat. Die hat ein Vermögen gekostet. Es war ein wunderschöner Tag, als sie ankam, denn die Maschine bedeutete für mich etwas Unbezahlbares.

Stand dir die Pekinger Stadtverwaltung bei der Ladengründung auf den Füssen?

Die Behörden haben am Anfang überhaupt nicht mitgekriegt, dass es im Tattoo-Bereich etwas zu regeln gibt. Für mich ist das aber bis heute egal, denn ich habe mit sehr hohen Standards angefangen, und bis heute überbiete ich grundsätzlich amtliche Regeln. Das will ich gar nicht anders.

Trotzdem machst du demnächst deinen aktuellen Laden in Süd-Sanlintun, der coolsten Ecke Pekings, zu und willst nur noch für Leute mit Termin in einer Art Tattoo-Appartment arbeiten?

Das kommt nur, weil mir die Kommerzialisierung meiner Kunst im laden auf den Zeiger geht. Ich brauche einen eigenen Raum, in dem ich noch stärker meinen Stil umsetzen kann. Sonst werde ich mich künstlerisch nicht weiter entwickeln.

An den Kunden liegts also nicht?

Nö, die sind in den letzten Jahren immer angenehmer geworden. Neuerdings beschäftigen sie sich auch mehr mit meinem traditionellen chinesischen Stil. Zudem sinken die Vorbehalte gegen Tattoos in China immer weiter. Beides freut und motiviert mich sehr.

Ich weiss, dass Chinesen Japaner oft nicht leiden können und umgekehrt. Wie stehst du als stilistischer Traditionalist zu den viel bekannteren japanischen Motiven?

Tätowierungen respektiere ich in jedem Land der Erde. Im Grunde gehören China und Japan ja eh zur selben Kulturzone und haben deshalb viele Gemeinsamkeiten ...

... Was vielleicht genau der Grund für die ewigen Geschwisterzänkerein ist ...

... ich will aber nicht abstreiten, dass sich Tätowierungen in Japan viel früher und auch viel ausgeprägter als hier entwickelt haben. Allerdings wurden dabei auch viele chinesische Elemente übernommen, die heute als typisch japanisch wahrgenommen werden. Ich glaube, dass wir chinesischen Tätowierer uns in Zukunft durchaus unser eigenes Plätzchen erarbeiten werden.

Meinst du mit "wir" deine beiden Kollegen Wang Jing Feng (TM 5/2004) und Yang Zhuo (TM 1/2008)?

Wir sind seit vielen Jahren befreundet, aber wir arbeiten nicht zusammen. Ich mag die Verbände nicht, in denen sie sind, weil es dort - zumindest in China - immer sofort um Geld geht. Das finde ich ätzend.

Du kommst ja eh sehr mild daher und wirkst nicht wie ein Rock 'N' Roll-Tätowierer.

Kann sein - ich bin einfach nur ich und will nur mehr und gute Tätowierungen anfertigen.

Wie hältst du es denn dann mit Westlern, die von dir einfach chinesische Schriftzeichen wie "Glück" oder "Kraft" tätowiert haben wollen?

Als Chinese versuche ich, solchen Kunden ein bisschen mehr über unserer Kultur zu berichten. Danach haben sie Wahlmöglichkeiten und können dieselbe Aussage vielleicht besser als bloß mit einem Schriftzeichen ausdrücken. Wenn sie aber doch lieber ein schlichtes Zeichen wollen, dann sorge ich dafür, dass es wenigstens schön chinesisch ausschaut.

Siehst du dich dabei mehr als Zeichner oder als Tätowierer?

Das gehört zusammen - ein guter Tätowierer muss immer gut zeichnen können. Ich würde mich eher als Forschungsreisender in Sachen Tätowierkunst ansehen, den alle Facetten des Faches interessieren.

Äusserlich sichtbar ist das aber nicht: Gesichts- und Hand-Tätowierungen hast du ja keine.

Jeder muss das selbst wissen - etwas persönlicheres als ein Tattoo gibt's ja kaum. Ich würde mir die Hände oder das Gesicht zwar nie tätowieren lassen, weil es einfach nicht zu mir passt. Wenn mich aber ein Kunde fragt, sage ich ihm oder ihr nach einem längeren Gespräch gerne, welche Tattoos zu ihrer Persönlichkeit gut passen könnten. Letztlich muss sowas aber - logo - jeder selbst entscheiden.

Erzähl doch zum Abschluss noch mal was zu deinem lustigsten oder blödesten Erlebnis im Laden.

Am lustigsten war der Typ, der doppelt so groß und schwer war wie ich. Beim tätowieren hat er voll angefangen zu heulen. Ich musste mir die ganze Zeit auf die Lippen beißen, um keinen Lachkrampf zu kriegen.

Am Beknacktesten fand ich den Kunden, der zusammen mit seiner Freundin kam und sich ein Portät von ihr auf den Arm stechen ließ, das mir super gefallen hat. Ein halbes Jahr später trabte er dann alleine wieder an und wollte es gecovert haben. Es war für mich eine absolute Qual, das wirklich schöne Tattoo selbst wieder zerstören zu müssen.

Okay, danke! Willst du zum Schluss noch was loswerden?

Ich freue mich wirklich über jeden, der mit mir über Tätowierungen sprechen möchte. Für China hoffe ich, dass wir hier noch viel mehr schöne Tattoos sehen und dazu alle an einem Strang ziehen.

NACHTRAG:

Kurz nach der Hamburger Convention traf ich Dong Dong noch einmal; wie zu erwarten, sehnte er sich vor allem nach Reis, hatte sich aber zum Glück scharfe Bohnenpaste mitgebracht, die ihm den Rotkohl und die Kartoffeln ver...schärfte.

Hat sich der weite Weg nach Hamburg (und die Zeit ohne Reis) gelohnt?

DONG DONG: Stimmt schon, ich habe noch nie in meinem Leben so viele Kartoffeln gegessen. Seit Norman mir gesagt hat, dass man von Bier und Fritten dick wird, lasse ich diese leckere Kombination aber lieber sein ...

Die Hamburger Convention war spitze, und ich habe mir mit Norman einen Tisch gleich am Eingang geteilt - ein super Platz! am Anfang wollten viele Kunden chinesische Schriftzeichen tätowiert haben, *räusper* ... danach wurde es aber sehr schnell interessanter.

Ich finde es klasse, dass ich von Norman, dem deutschen Tätowierer, lernen kann, wie man die Güte und Qualität einer Tätowierung besser einschätzt und wie ich noch mehr auf Hygiene achten kann. 

Unser Niveau erhöht sich durch die Zusammenarbeit merklich und wir entwickeln uns gemeinsam weiter, ohne voneinander abzuschauen.

NORMAN: Genau - beispielsweise habe ich die Verspieltheit und Feinfühligkeit der Bewegungen aus chinesischen Arbeiten gelernt. Wir haben zwanzig Jahre lang nach Japan geschaut, aber jetzt öffnet sich für uns auch die weite Welt des chinesischen Kunsthandwerks. Obwohl es teils die gleichen Motive wie in Japan sind, kann ich sie sofort unterscheiden - für mich eine schöne Repertoire-Erweiterung.

Wie habt ihr euch überhaupt kennen gelernt?

NORMAN: Durch deinen Artikel im TM über Tätowierer in Peking! Ich bin danach mit meiner Frau nach China gefahren - da waren wir vorher eh noch nie gewesen - und wir haben uns in den Kneipen umgehört, bis uns jemand zu Dong Dong geschickt hat ...



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