MDR-Interview: Mark Benecke zum WGT: "Wir müssen alle sterben”

Mark Benecke ist nicht nur der bekannteste Kriminalbiologe der Welt, sondern auch traditioneller Gast auf dem Wave-Gotik-Treffen Leipzig, wo er Vorträge über Leichen und seine Forschung hält. Auch beim WGT 2019 ist er wieder mit dabei und liest unter anderem aus seinem Buch "Mumien in Palermo". Im Interview spricht er über Angst vor dem Tod, das Spülmittel Fit und die große Gefahr des Artensterbens.

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MDR KULTUR: Wie oft waren Sie schon beim WGT?

Mark Benecke: Mindestens 15 Mal, sicher mehr. 

Fun fact: Da ich früher täglich auf dem WGT Vorträge und mehr gehalten habe, bin ich der Künstler, der bis heute am häufigsten auf dem WGT aufgetreten ist.

Was ist so toll hier, dass Sie immer wieder kommen?

Einmal im Jahr nur lauter normale Leute ... das ist unglaublich entspannend.

Normal in welcher Hinsicht?

Gruftis raffen dramafrei, dass wir nur eine Runde auf dieser Erde haben. Nicht zwei und auch nicht drei. Anlass, ein sinnvolles, soziales und schönes Leben anzustreben – so gut es eben geht. Viele Menschen aus Sozial-Berufen sind Gruftis.

Worin unterscheiden sich Ihre Vorträge beim WGT von den Vorträgen, die Sie woanders halten?

Ich kann präzisere Anmerkungen über sexuellen Missbrauch, Vernachlässigung und Depressionen machen und muss dazu weniger erklären als anderswo. Und die Zuschauer*innen wissen, was Cybergoth, Steampunk, Hellectro, Batcave, Witchhouse, Pagan und Pastelgoth bedeutet. 

Sie beschäftigen sich in Ihrer Arbeit als Kriminalbiologe regelmäßig mit dem Tod. Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zum Tod?

Wir werden alle sterben.

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Haben Sie Angst davor?

Freuen tu ich mich jetzt nicht mega, aber et is wie et is (rheinisches Grundgesetz).

Wie würden Sie am liebsten sterben?

Friedlich und erst, wenn ich meine Arbeit erledigt habe.

Was passiert nach dem Tod – mit dem Körper und mit der Seele?

Die Seele ist ja ein Teil des Körpers: Das Nerven-System und die Hormone. Nach dem Tod verwesen sie. 

Was ist Ihr Ratschlag an die Gesellschaft: Wie sollten wir mit dem Tod und der Angst davor umgehen?

Derzeit sollten wir lieber verstehen, dass wir im größten Artensterben sind, das seit Jahrmillionen herrscht, dass wir es angezettelt haben, dass viele Menschen noch nicht mal auf pflanzliche Ernährung umsteigen wollen, obwohl das kinderleicht ist

Daher geht es im Moment weniger um den Einzelnen, sondern eher um den Tod der Zivilisationen geht, die wir so nennen. Das setzt den persönlichen Tod vielleicht in ein annehmbareres Verhältnis. 

Sehen Sie da noch Rettungsmöglichkeiten? Was muss passieren, damit das Artensterben und die Klimakrise nicht schlimmer werden?

Ich sehe keine Rettungsmöglichkeit. Wir können aber den Untergang mit Würde und Lebensfreude verlangsamen und gestalten. 

Es ist technisch nicht möglich, zehn Milliarden Menschen in einer sich zu schnell verändernden Umwelt so schick und sorglos zu versorgen, wie viele das gerne hätten. 

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Was war Ihre letzte interessante wissenschaftliche Entdeckung?

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Kriminalstatistik", herausgegeben von allen LKA-Direktor*innen, ist ein langer Artikel über Spuren an Leichen, die aussehen wie Gewalt-Einwirkung, aber von Tieren stammen. Das ist jetzt nur ein Beispiel. 

Mein Team, die Studierenden und ich haben auch daran gearbeitet, warum nur das Spülmittel "Fit" aus der DDR die Luminol-Reaktion zur Blut-Suche verstärkt und vieles mehr. 

Welche Ihrer Untersuchungsergebnisse finden Sie bislang am erstaunlichsten?

Alle. Dass beispielsweise das Leichen-Öl der heiligen Walburga Leitungswasser ist, darauf wäre ich durch Denken (wirklich) nicht gekommen. Ich messe daher immer anstatt zu glauben oder zu meinen.

Gab es auch Untersuchungen, bei denen Ihnen ein Schauer über den Rücken lief? Oder wie abgebrüht sind Sie?

Abgebrüht bin ich nicht, sondern neugierig wie ein Kind, das erst mal alles, auch Kieselsteine oder Schneeflocken, einsammeln möchte. Ich bin aber jedesmal sehr verwundert, wie sehr sich zu Unrecht Verurteilte – die mit der Tat überhaupt nichts zu tun hatten, so dass der Täter oder die Täterin oft noch frei herumläuft –, in ihr Schicksal im Knast fügen. 

Und einmal hatten wir einen uralten Fingerabdruck — also Haut-Linien — aus einem Buch. Das hatte ein Terrorist vor langer Zeit in einer Bibliothek gelesen. Kein Mensch glaubte, dass das viel bringt, aber es war die einzige Vergleichsspur, um ihn sicher zu erkennen. Und sie passte. 

Was würden Sie gerne mal erforschen?

Das, was gerade anliegt. Ich arbeite einfach meinen Kram ab.

Worüber werden Sie dieses Jahr beim WGT reden?

Ich mach dieses Jahr wie immer mit Elvis und Olli die fette offizielle Eröffnung in der Agra. Das Vortragsthema können sich die Zuschauer*innen diesmal aussuchen. 

Im Herbst erscheint meine Biografie, vielleicht ziehe ich auch noch ein paar lustige Fotos raus und schocke alle mit Karohemd-Bildern aus meinem alten Labor.

Was schauen Sie sich selbst beim WGT dieses Jahr an?

Wie im letzten Jahr für das Video- und das Orkus!-Tagebuch die vielen zauberhaften Wesen, Gestalten, Nachtwandler*innen und Wunderlichkeydten, die sich vorwiegend in der Agra und dem Heido bei lauschigen Treffen und backstage zutragen.

Interview: Juliane Streich für MDR KULTUR

Schöne Gothic-Festival- und Video-Links: 










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a tribute to Leonard Cohen