Krieg und Frieden – Vom Zusammenleben mit Mikroorganismen 🦠 🔬

Quelle: https://hoppundfrenz.com/gesundheitsblog-krieg-und-frieden/ (Juli 2020)

Von Verena Fischer

Foto: Benecke.com

Es sieht ganz so aus, als wäre Corona nur der Anfang. Man spricht vom â€žZeitalter der Pandemien“, in das wir eintreten. Wir sind dabei, zu begreifen, dass wir Teil einer allumfassenden Natur sind, mit der wir leben oder untergehen werden. Unser Wissen ĂĽber Mikroorganismen wie Viren, Bakterien, Pilze oder Mikroalgen spielt dabei eine wichtige Rolle. Im Blog „Krieg und Frieden“ zeigen wir mit kurzen Berichten aus der Life Science, wie sich ein umfassenderes Verständnis des Lebens auf der Erde entwickelt und wie es wirksam werden kann  

17. Juli: Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke im Interview

HUF-Interview: Spurensuche im Unsichtbaren

Mikroorganismen sind ĂĽberall – auch an Tatorten. Welche RĂĽckschlĂĽsse sich aus diesen ziehen lassen und warum mikrobielle Spuren in Zukunft an Bedeutung gewinnen könnten, das verrät der Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke im Interview.

Sag mal, Mark: Was macht eigentlich ein Kriminalbiologe und welche Rolle spielen dabei Mikroorganismen?

Kriminalbiologen bearbeiten spurenkundlich, was von einer Tat ĂĽbrigbleibt. Dazu kann auch die Analyse von Mikroorganismen gehören. Denn in jeder biologischen Nische gibt es bestimmte, darauf angepasste Lebewesen. Findet man beispielsweise in einer Kiste eine verfaulte Leiche, die Bakterien eines Lebenden aufweist, dann stellt sich die Frage, ob kĂĽrzlich jemand am Tatort war. Denkbar ist dann unter anderem, dass der Täter die Kiste geöffnet hat, um zu sehen, ob die Leiche noch vor Ort ist und dabei Mikroorganismen zurĂĽckgeblieben sind. Ein solcher Fund kann dann Anlass dafĂĽr sein, auf der Leiche nach Hautzellen eines Anderen zu suchen. Mithilfe von Mikroorganismen lässt sich auĂźerdem prĂĽfen, wie lange sich die Leiche schon an einem bestimmten Ort befindet. 

Spielen solche mikrobiellen Spuren vor Gericht eine Rolle?

Bisher noch gar nicht. Es handelt sich dabei um eine ganz frische Forschungsdisziplin. Insgesamt liegt die Schwierigkeit bei der spurenkundlichen Analyse von Mikroorganismen vor allem darin, dass Bakterien sehr schwer zu untersuchen sind. Zwar lässt sich die Erbsubstanz leicht gewinnen, aber dann jemanden zu finden, der sich mit den Lebensgewohnheiten auskennt, das ist eine groĂźe Herausforderung. 

Gibt es denn solche Bakterienexperten ĂĽberhaupt und wenn ja, wo?

Ich war letztens in der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen, dem DSMZ. Das ist die größte Sammlung von Mikroorganismen, die es gibt. FĂĽr die Wissenschaftler vor Ort ist es ein Kinderspiel, Bakterien richtig zuzuordnen. Sie können viel ĂĽber die Lebensweise, die Lebensbedingungen und die Erbsubstanz sowie ĂĽber die genaue Bestimmung der Kleinstlebewesen aussagen, das ist ein Traum! Dadurch, dass dort neuerdings sämtliche DNA-Daten von Mikroorganismen verfĂĽgbar sind und das DSMZ auch sichere Zuordnungen dieser Daten zu den Lebensgewohnheiten von Bakterien treffen kann, ist es das allererste Mal, dass wir auf dem Weg hin zur gerichtlichen Nutzung von mikrobiellen Spuren den Finger ins Wasser getunkt haben. Getaucht ist da aber noch keiner. Ein paar Kolleg*innen tasten sich derzeit langsam heran, indem wir unter kontrollierten Bedingungen Spuren sammeln und dann schauen, welche Aussagen sich sicher treffen lassen. Das wird seine Zeit brauchen.

Du hast mit den DSMZ-Forschern auch ĂĽber Kreuzkontaminationen gesprochen. Was hat es damit auf sich?

Heutzutage lässt sich genetisch so weit vordringen, dass man sich fragen muss, ob man überhaupt noch ordentlich Spuren abreiben kann, ohne eine Überkreuzung mit irgendwas zu haben. Beispielsweise kann es sich bei der Kreuzübertragung um etwas handeln, das vor drei Wochen mal durch die Tür geflogen ist. Im DSMZ lässt sich das kontrollieren. Das mal zu sehen, fand ich cool! Mal deren komplett unsichtbare Welt mit meiner komplett unsichtbaren Welt zu vergleichen – also Spuren, die wir nicht mehr sehen können, zusammenzuführen. Ich bin nun wieder sicher, dass sich in einer unsichtbaren Welt, in der sich vieles vermischen kann, trotzdem noch gut genug arbeiten lässt, dass es am Ende vor Gericht zu einer Aussage reicht. Bei genetischen Fingerabdrücken hat es geklappt. Warum nicht auch hier?

Eine letzte Frage noch: Hast Du einen Lieblingsmikroorganismus?

Also wenn ich mich entscheiden muss, dann fällt mir die Pseudomonasgruppe ein, die „PfĂĽtzenkeime“ sind – Bakterien mit spannenden Eigenschaften: Sie können beispielsweise Leichen in ganz interessante GrĂĽntöne verfärben, von tannengrĂĽn ĂĽber apfelgrĂĽn bis hin zu grasgrĂĽn. Und auĂźerdem riechen die Leichen dann nach LindenblĂĽten… allerdings nach ziemlich vielen. 


Leibniz-Institut DSMZ

Juli 2020


DSMZ

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