Hipper Trend oder alte Tattoosünde? Das „Arschgeweih“ ist zurück

Quelle: Talisa Moser (RND), https://www.rnd.de/lifestyle/tattoo-comeback-das-arschgeweih-ist-zurueck-hipper-trend-oder-alte-90er-suende-L76NJKRO6ZCFDGZX24E26LXPFU.html

Ende der Neunzigerjahre war das sogenannte Arschgeweih ein beliebter Tattootrend, dann eher verpönt. Nun setzen bekannte Influencerinnen wieder auf die Tätowierungen oberhalb des Steißbeins. Die Retromotive sind heutzutage viel bunter und professioneller gestochen also noch vor wenigen Jahren.

Talisa Moser, 26. August 2021, 6:38 Uhr

Um die Jahrtausendwende war es Trend, einige Jahre später eine geschmacklose Jugendsünde und nun wieder à la mode? Die Rede ist vom Steißtribal, umgangssprachlich bekannt als „Arschgeweih“. Damit wird eine Tätowierung auf dem unteren Rücken, kurz oberhalb des Steißbeins bezeichnet. Durch seine Form ähnelt das Tattoo einem Hirschgeweih oberhalb des Gesäßes – daher der Name.

Häufig wurden dafür sogenannten Tribals verwendet, abstrakte Zeichnungen, die im Original vor allem als Stammesabbildungen der neuseeländischen Ureinwohner tätowiert wurde. Die Zeichen wurden unter anderem durch die Steißtribals profaniert und angeblich als Schmuckstück "ohne tiefere Bedeutung" getragen, erklärt Dr. Mark Benecke, Vorsitzender des Vereins Pro Tattoo.

Das Steißtribal ist aber nicht auch zuletzt deswegen mit Vorurteilen behaftet, weil viele Menschen es in Kombination mit Hüfthosen und Stringtangas als „zu freizügig“ empfanden.

Die 90er-Mode ist zurück

In den Neuzigerjahren und 2000er-Jahren waren die verschnörkelten Tribals am Steißbein besonders bei jungen Frauen beliebt. Doch mit dem Wiederaufleben der 90er-Mode kommt auch das Interesse an den gewagten Tattoos auf dem unteren Rücken zurück. Junge Frauen und auch Männer lassen sich – inspiriert vom Steißbeintattoo – größere Motive und Schriftzüge tätowieren.

Vorbilder für das moderne „Arschgeweih“ sind unter anderem Influencerinnen auf Social Media. So ließ sich die Sängerin Miley Cyrus einen Drachen auf dem unteren Rücken tätowieren, Model Stefanie Giesinger zeigt sich auf Instagram mit einem klassischen Tribal über dem Steißbein.

Das Tattoo aus den Neunzigerjahren erhält ein Update

Moderne Tribals und andere Motive über dem Gesäß seien kaum mit damals zu vergleichen, sagt Benecke. „Es wird in der Tätowierwelt einfach immer schöner, bunter, diverser und persönlicher. Da hat das zwischendurch belächelte Steißtribal einfach wieder seinen Platz gefunden – sozusagen als Arschgeweih 2.0.“

Da die Tätowiertechnik in der Zwischenzeit immer besser geworden ist, verändern sich nun auch alle Tattoos. Auch Steißtribals sind heute deutlich feiner als damals, erklärt Benecke. Die Stelle sei aber nicht weniger schmerzhaft, fügt er hinzu.

Vor dem Tattoo gut recherchieren

„Das Gefallen eines Arschgeweihs hängt mit dem Lebensabschnitt und dem Alter zusammen“, sagt Dr. Volker Goeman, Vorstandsvorsitzender vom Verband für Tattooentfernung. „Was in jungen Jahren noch cool ist, fängt im Alter dann vielleicht an zu nerven.“

Wer sich für ein Tattoo entscheidet, sollte immer einen professionellen Tätowierer oder Tätowiererin wählen. Dazu gehöre eine einschlägige Recherche, denn den oder die Richtige zu finden, sei nicht immer leicht, sagt Goeman. Interessierte sollten beim Erstgespräch auf hochwertige Nadeln und zertifizierte Farben achten: Die Farben müssen auf Inhaltsstoffe wie Schwermetalle oder andere karzinogene Stoffe geprüft sein. Durch schlechtes Equipment würden nicht selten Vernarbungen und reliefartige Tätowierungen entstehen, warnt Goeman. „Wer mit billigem Equipment und minderwertigen Farben tätowiert, riskiert häufig diese Zwischenfälle.“

Tätowiernadeln können laut Studie Allergien auslösen

„Ich würde immer von farbigen Tattoos abraten, denn da sehe ich immer wieder ganz schlimme Allergien – und dann kann auch nicht mehr gelasert werden“, fügt Goeman hinzu. Das erkenne man an Juckreiz, Quaddeln und Schwellungen. Solche Reaktionen müssten dann am Ende vom chirurgisch mithilfe einer Hauttransplantation entfernt werden „Und das ist dann nicht mehr schön.“ Schwarz sei die einzige Farbe, die sich rückstandslos mit dem Laser entfernen lasse, wenn das Tattoo irgendwann doch nicht mehr erwünscht ist.

„In letzter Zeit sehen wir verstärkt Pastellfarben, also Farben, die mit Weiß gemischt werden“, sagt Goeman. Mit Weiß müsse man aber vorsichtig sein, da es sehr hartnäckig in der Haut bleibt und sich nicht mehr mit dem Laser entfernen lässt. Das Titandioxid in der Farbe könne darüber hinaus Nickelallergien auslösen.


Ursprüngliches Original-Interview

Kannst du kurz einige Hintergrundinformationen zu dem Tribal geben? Wann war es besonders beliebt, wie kam es vielleicht sogar dazu und wer hat sich damals ein Arschgeweih tätowieren lassen?

es war urspruenglich ein mode-ding aus den spaeten 1990ern; tribals als solche (oberarm, schultern...) gabs schon vorher

taetowierungen wurden unter anderem durch die steiss-tribals "profaniert", also in den augen vieler alter hasen und haesinnen auf einmal ein reines schmuckstueck angeblich ohne tiefere bedeutung

uebersehen wurde dabei, dass die stelle ziemlich schmerzhaft zu taetowieren ist und die angeblich so flachen zeichen doch fuer vergleichsweise viel schmerz eingetauscht wurden — sie bedeuteten vielleicht doch etwas mehr

eine kleine uebersicht ueber weitere moden einschliesslich steiss-tribal findest du hier.

Kannst du derzeit einen Trend beobachten, dass sich wieder mehr Menschen ein Arschgeweih tätowieren lassen?

mir ist eher die unterbrust-taetowierung aufgefallen, die (zum gluck — tolle idee) mittlerweile weit verbreitet ist und viele aehnlichkeiten hat:

schmerzhafte stelle, schmueckend, angeblich inhaltsleer

da die taetowiertechnik (nadeln, maschinen, austausch unter den kolleg:innen) immer besser wird (meine steiss-fledermaus ist bspw. ein grau verlaufenes grusel-stueck), muss es auch nicht mehr so "bold" wie fruehere streisstribals ausgefuehrt werden, im "zu stehen"... es geht heute viel feiner

Wenn ja, gibt es Veränderungen bei den Motiven oder der Größe - oder auch der Klientel?

grundsaetzlich haben sich taetowierungen seit den steisstribals sehr stark weiter entwickelt und verbreitet, es sind immer mehr menschen taetowiert (richtig viele):

kannste also kaum mit damals vergleichen — es wird in der taetowierwelt einfach immer schoener, bunter, diverser, persoenlicher und da hat da zwischendurch belaechelte steisstribal einfach wieder seinen platz gefunden — sozusagen arschgeweih 2.0

nota bene: ich hab mir schon 1998 ein tribal mit feinen linien in new york stechen lassen


Henk Schiffmacher

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