Vorwort zu 'Entenhausens Most Wanted' đŸ•”đŸ»â€â™€ïž

Mark Benecke: Enten im Bann des Bösen

Mit einem Vorwort des Kriminalbiologen und Donaldisten Mark Benecke (← klicke fĂŒr das .pdf)

Entenhausen – idyllisches StĂ€dtchen an der Gumpe? Irrtum!

Ein skrupelloses Sammelsurium von Schurken, Schuften und Spitzbuben gibt sich hier ein Stelldichein. Die Panzerknacker, Gundel Gaukeley, Kater Karlo und das Schwarze Phantom bilden die Topliga der Bösewichte. Abgesehen haben sie es wahlweise auf den Inhalt von Dagobert Ducks Geldspeicher, seinen ersten Zehner, die Goldreserven von Fort Entenhausen oder gleich auf die Beherrschung der ganzen Welt.

Dieser Band widmet sich Entenhausens schillerndem Schurkenkabinett und prĂ€sentiert die nervenzerfetzendsten Abenteuer von Donald, Micky und Co. im Kampf gegen die ĂŒblichen VerdĂ€chtigen.

Format: Buch (gebunden), Sprache: deutsch, Seiten: 432 

Hardcover – 6 Oct. 2016, Egmont Comic Collection; 1st edition

ISBN-10: 3770439309, ISBN-13: 978-3770439300


Enten im Bann des Bösen

von Mark Benecke

Was Schurken zu Schurken und Hexen zu Hexen macht, erfahren wir in den folgenden Comics nicht. Wir lernen aber immerhin, dass Geld denen, die es allzu sehr lieben, das Leben schwer macht: Die angsthaft ĂŒbersteigerte Sorge um den GlĂŒckszehner und die Fatastillionen treibt Onkel Dagobert in gleich mehreren der hier zusammengestellten Geschichten um. Mit Ă€hnlicher Verbissenheit jagen die Panzerknacker nun schon seit 65 Jahren Dagoberts SchĂ€tze. Auch Gundel Gaukeley wĂŒrde besser leben, wenn sie ihren Wunsch nach Geldmehrung ohne Arbeit endlich begraben wĂŒrde.

Eine lustige Frage ist dabei, warum eine schwarzhaarige Zauberin, die sogar Raben in Menschen verwandeln kann, sich ĂŒberhaupt dermaßen nach einem GlĂŒckszehner verzehrt. Ob ihr am Ende doch mehr an Dagoberts Aufmerksamkeit oder zumindest der Lust am Abenteuer liegt als am egomanischen Faulenzen, das sie und die Panzerknacker so lauthals vorschieben?

Hat Dagobert mit seinem klammkalten Geiz auf der einen und dem brennenden Drang nach gesellschaftlicher Anerkennung auf der anderen Seite vielleicht sogar erst die Aufmerksamkeit von Knackern und Hexe auf sich gezogen? Immerhin, so berichtet Carl Barks anderorts, ist der arme reiche Dagobert anlehnungsbedĂŒrftiger, als er vorgibt. Lieber er expensive thrills?

Womit wir gleich beim nĂ€chsten Fall klebriger Liebe wĂ€ren, nĂ€mlich der zwischen Madam Mim und dem Phantom Blot a.k.a. Schwarzen Phantom. In dieser, ĂŒbrigens sauber erzĂ€hlten, Geschichte geht es weniger um paranormal ermöglichte DiebstĂ€hle als um einen unheilbaren Liebeswahn. Erst der Kuss eines gnĂ€digen (ganz) anderen Mannes dreht den Wahn ein wenig weg und weiter. So etwas erleben wir auch in KriminalfĂ€llen: Liebe, Wollen und das kopflose Nachstellen sind enger verwoben,als es Menschen und MĂ€use katastrophenfrei aushalten können. Wird die Liebe erst krankhaft, bleibt dabei mindestens einer auf der Strecke.

NatĂŒrlich kann ein Wahn auch tragikomische Ausformungen haben. Ausgerechnet das Schwarze Phantom, dessen IdentitĂ€t auf den kommenden Seiten glĂŒckerlicherweise nicht gelĂŒftet wird, Ă€rgert sich schwarz (pun intended), weil sein Lieblingsheld, das „Schwarze Ekel“, den Romantod stirbt. Das wĂ€re schon lustig genug, wird aber noch schrĂ€ger, weil Micky Maus der Autor dieser Serie ist – beziehungsweise war. Erneut schlĂ€gt, wie in unseren spurenkundlichen FĂ€llen, ein Beziehungsereignis durch den Fall. „In Wirklichkeit kann er mich auch nicht einfach so abservieren!“ ist der schwarz gewandete Bösewicht, einst der feinfĂŒhligen Feder Floyd Gottfredsons entsprungen, zu Unrecht ĂŒberzeugt. „Ich werde ihn dazu bringen, mein Idol weiter am Leben zu halten!“

Solche Plots hören sich wie dramaturgisch erzwungene Wirrnis auf Stella Anatium an. Aber sie passieren auch auf unserer Erde. Meine Kollegin, die Krimiautorin und forensische Journalistin Val McDermid wurde beispielsweise 2013 von der mit PerĂŒcke und Filzhut schlecht verkleideten Stalkerin Sandra Botham mit Tinte ĂŒberschĂŒttet, weil diese zwanzig Jahre zuvor eine Romanpassage auf sich bezogen und seither einen unauslöschlichen Groll gegen McDermid mit sich geschleppt hatte. Umgekehrt geht es auch, und damit snd wir beim im vorliegenden Band einmal recht rachsĂŒchtigen Micky.

Richard Brittain, Autor des bei Amazon mit durchschnittlich einem Stern also der niedrigstmöglichen Note bewerteten Buches „The world Rose“, reiste 2014 eigens von England nach Schottland, um eine seiner Rezensentinnen, von Beruf Kassiererin in einem Supermarkt, mit einer Flasche niederzuschlagen. Es ist hier wie bei Batman und dem Jobker, die nur scheinbar aus einem anderen Universum stammen: Beide haben sich gegenseitig erschaffen. Wer gut und wer böse ist, wer Schurke, Flederohr, Meisterdetektiv oder Hexe, vor allem aber, wer angefangen hat mit Streiten, ist bei genauerem Hinsehen nicht immer so leicht zu sagen.

So ist es auch in den uns ĂŒberlieferten Teilen Entenhausens. Dort gibt es zwar weder Mord noch Totschlag, was aber nicht heißt, dass das Leben darum weniger abenteuerlich wĂ€re. Denn das sich ausgerechnet der unter DonaldistInnen als unertrĂ€glich besserwisserisch verschrieene Micky bei seinen Ermittlungen in einem weiteren Fall um das Schwarze Phantom eine harte posttraumatische Störung einfĂ€ngt, ist schon verflixt: Alle GegenstĂ€nde, die Micky an das erinnern, was seine erzwungen verbrecherische VerĂ€nderung bewirkte, erzeugen in ihm Schauder und Ohnmacht, vom TennisschlĂ€ger bis zum Spiegel.

Auch unsere wirklichen Opfer und selbst die TĂ€erInnen snd tief im herzen, sofern sie noch eines haben, todunglĂŒcklich. FĂŒr die elegante Lösung, mit der Micky in „Eine tödliche Falle“ aus seinem herzen dann doch keinen Verbrechnsgraben macht, wĂŒrden sie mehr als Schweiß und TrĂ€nen geben. Dass wir deswegen öfter verzeihen und vorwiegend daran arbeiten mĂŒssten, aus Guten nicht die Bösen werden zu lassen – das dĂŒrfte neuerdings wohl auch dem Letzten klar geworden sein.

Oder auch nicht. „Gute GĂŒte, das Volk rottet sich zusammen! Merken die Leute denn nicht, was diese heimtĂŒckische Hexe im Schilde fĂŒhrt?“, sagt Dagobert in „Pech mit dem GlĂŒckszehner“. Brexit, Mobs und ExplosionswĂŒtige fĂŒhren uns die ewige Wahrheit dieser beiden SĂ€tze vor. Knackis und Strolche braucht es dazu nicht.

Selbst, dass die Putzfrau nicht immer TĂ€terin, sondern ebenso gut Retterin sein kann und dass nur eine klare Detailansicht einen Fall zur KlĂ€rung bringt, sei es anhand eines neuen Zwickers, nach Untersuchung kĂŒnstlicher Spinnweben oder durch die Entzauberung von einem Hexenbruch und -fluch, ist naheliegender, als wir es manchmal selbst erkennen. „Die Zeiten haben sich geĂ€ndert“, sagt Donald wahrheitsgemĂ€ĂŸ zu Dagobert, als dieser mal wieder seinen Altlasten nachhĂ€ngt.

Denn was passiert eigentlich, wenn der GlĂŒckszehner den Falschen ein sorgenfreies Leben beschert? Und warum sind sie ĂŒberhaupt die Falschen? Ist das schurkische Phantom („Ich fĂŒhle mich zu Höherem berufen!“ – „Und zu was?“ – „Ich will die Welt beherrschen“ – „Huch!“) wirklich grĂ¶ĂŸenwahnsinniger als Dagobert Duck, der ein weltumspannendes Firmennetz nebst immer dem grĂ¶ĂŸten Haufen Gold und Garn besitzen möchte? Ich bezweifle es.

Es ist darum tröstlich, dass Donald den magisch verdrehten Raben Nimmermehr mit einer wischmopartigen PerĂŒcke noch verrĂŒckter – oder, nach anderer Lesart, wider normal – macht. Beruhigend ist auch, dass selbst Schurken in der Savannensonne erschaudern. Trotzdem geschieht hier wie dort so viel Unvorhergesehenes, Magisches und oft genug auch Irrsinniges, dass weder ein Entenhausen noch hierzulande Hoffnung auf Erlösung oder wenigstens endgĂŒltiges Verstehen besteht. „Wer weiß, ob moderne Hexen noch auf einem Besenstiel fliegen“, fragt Donald seinen Onkel, „und wer weiß, ob sie heutzutage ihre Partys noch auf dem Blocksberg feiern?“ „Ich weiß es nicht“, sagt Dagobert, „aber es ist meine einzige Hoffnung.“

So wie die EntenhausenerInnen also möchten, dass es erstens etwas definiert Böses gibt, das zweitens zu festgelegten Zeiten an bestimmten Orten anzutreffen und notfalls dort bekĂ€mpfbar wĂ€re, wenn man nur wollte, so wĂŒnschen es sich auch meine KlientInnen, die Staatsanwaltschaft und der Rest der Welt. Doch wie in Entenhausen sprechen die Spuren eine zu uneindeutige Sprache, wenn es um Höheres geht.

Kurz gesagt: Was einen Schurken zum Bösen macht, verraten weder Blut noch TrÀnen.

Viel Spaß bein Lesen


90 Jahre Donald

Egmont Comic Collection


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