Kriminalbiologe Mark Benecke serviert amüsanten Leichenschmaus

Quelle: Neue Westfälische online vom 16. März 2017

VON BIRGER BERBÜSSE

Vor mehr als 600 Zuschauern berichtet Mark Benecke äußerst detailreich und mit entsprechenden Fotos über Insekten auf Leichen. Das ist deutlich lustiger als es klingt.

Der Mann kennt seine Maden: „Die kenne ich sogar besser als Menschen", sagt Mark Benecke. Diese besondere Expertise stellte Deutschlands bekanntester Kriminalbiologe eindrucksvoll unter Beweis. Vor mehr als 600 Zuhörern referierte der auch durch zahlreiche TV-Auftritte und Bücher bekannt gewordene Forensiker über „Insekten auf Leichen".

Bei seinem ersten Auftritt in Paderborn zeigt sich der Doktor der Rechtsmedizin äußerst volksnah. Eine Stunde vor Vorstellungsbeginn sitzt der 46-Jährige bereits an seinem Platz, plaudert freundlich mit seinen Fans, gibt Autogramme und posiert für Fotos. „Früher habe ich viele Dekollets signiert, heute sind es mehr so Brillenetuis", merkt Benecke an. Allerdings sei ihm auch schon mal ein – unbenutztes! – Hämorrhoidenpflaster zum Unterschreiben hingehalten worden.

In Paderborn ist man da weniger originell, Benecke muss hauptsächlich Bücher signieren. Auch in der 20-minütigen Pause der insgesamt etwas über dreistündigen Veranstaltung im Schützenhof bleibt Benecke an seinem Platz, ebenso wie nach seinem Vortrag, um weitere Fanwünsche zu erfüllen. Das Publikum ist dabei alters- und geschlechtermäßig gemischt, wobei ein deutlicher Hang in Richtung Gothic zu erkennen ist.

Eines ist auch klar: Wer zu einem Vortrag von Mark Benecke zum Thema „Insekten auf Leichen" geht, der bekommt dies auch geboten – und zwar in allen Details. Allzu zartbesaitet ist aber auch niemand im Publikum, jedenfalls bleiben alle sitzen und starren fasziniert, teilweise aber durchaus angeekelt auf die große Leinwand. Dort präsentiert Benecke drei Stunden lang Fotos von Leichen in unterschiedlichen Verwesungsstadien.

Häufig sind diese, weil erst nach Tagen gefunden, von Maden geradezu übersät. „Das ist der sogenannte Madenteppich", verrät der Kriminalbiologe. Er erläutert, warum die Kenntnis von Insekten für die Bestimmung des Todeszeitpunkts so wichtig ist. Leichen locken Schmeißfliegen an, die wiederum legen dort nach einigen Stunden ihre Eier ab.

Am Entwicklungsstand und der Anzahl der Maden kann also errechnet werden, wie lange ein Körper zum Beispiel in der Wohnung lag. „Die Maden sind unsere Uhren", so Benecke. Die übrigens die schöne Angewohnheit haben, sich bevorzugt in Augen, Nase und Mund der Toten aufzuhalten. Weiter lernen die gebannt lauschenden Männer und Frauen im Publikum, dass sich das Gewebe einer Leiche nach einer gewissen Zeit verflüssigt und absackt und sich die äußerste Hautschicht abschält.


Von Mumien und Schinken

Die braune Hautverfärbung von mumifizierten Leichen sei im Übrigen nichts Besonderes. „Das kennen Sie", sagt Benecke: „Wenn Sie einem toten Schwein das Bein abschneiden und an die Decke hängen, passiert das gleiche." Schinken sei nichts anderes als vertrocknetes Gewebe. So seien Leichen auch nicht giftig. „Sonst dürften sie ja auch kein Schnitzel essen. Das sei schließlich einfach Leichen-Muskel-Fleisch, so der Veganer, der mit diesen Aussagen durchaus einige Gäste zum Fleischverzicht ermuntert haben könnte.

Obwohl er im Grunde ein ernstes Thema behandelt, sorgt der medienerfahrene Forensiker immer wieder für Schmunzeln oder lautes Lachen. Etwa wenn er darauf verweist, dass die Körperaufbauprozesse mit 25 Jahren aufhören: „Technisch gesehen sterben Sie also ab Ihrem 24. Lebensjahr." Für die Jüngeren hat er aber noch einen Karrieretipp: Spezialisten für die Analyse von Mageninhalten sind offenbar Mangelware. Warum, weiß Benecke auch nicht: „Das ist nicht eklig."

Besonders als er Paderborn mit wissenschaftlicher Akribie analysiert. Benecke schildert, mit Beweisfotos, seine ersten Eindrücke: Paderborn habe wohl den einzigen Bahnhof ohne Schmierereien, merkt er verwundert an. Dafür seien die Paderborner „passiv-aggressiv", sagt er mit Blick auf zahlreiche Fahrräder, die einfach neben den Markierungen abgestellt wurden. Immerhin: In Paderborn gebe es nur selten Fälle von Leichen, die tage-, wochen- oder gar monatelang unbemerkt in der Wohnung liegen. Hier gebe es wohl mehr „Sozialkontrolle", vermutet der Rechtsmediziner.

Mit großem Dank an Birger Berbüsse und die Redaktion für die Erlaubnis zur Veröffentlichung.