Insider Osnabrück, Nr. 421, 36. Jahrgang, August 2018, Seite 6
INSIDER: Dr. Mark Benecke, du bist Kriminalbiologe. Wann kommst du in der Regel zum Einsatz?
Dr. Mark Benecke: Immer dann, wenn die Ermittlungsbehörden oder Angehörige in einem Fall nicht weiter wissen.
Und wie sieht deine Arbeit genau aus?
In meinem Job mache ich zwei Sachen: Erstens bin ich als Spurenkundler tätig und gucke ausschließlich die Insekten an. Man muss wissen, welche Fliegenart bei welcher Temperatur schlüpft, wie das Wetter war, welche Käfer wo vorkommen, wie sich Maden verhalten. Erst dann werden aus stummen Leichenbesetzern hilfreiche Kollegen. Wenn es aber um Tatortrekonstruktionen geht, hole ich mir alle möglichen Infos heran und rede mit jedem, der irgendetwas wissen könnte.
Hört sich ein bisschen so an wie bei „CSI“.
Ach, Film-Figuren können ja alles. Spuren sichern, Hubschrauber fliegen, schießen, ermitteln. Und dann sind sie auch noch cool und tragen vernünftige Klamotten. Mir wird im Hubschrauber übel, ich trage abwaschbare Kleidung und Polyesterunterhosen. Damit der Geruch sich nicht so festsetzt. Einen KaschmirPullover kannst du nach einer Leichenbesichtigung wegschmeißen.
Wie unterscheidet sich deine Arbeit von der deiner TV-Kollegen? Gibt es etwas, das am Bildschirm immer falsch dargestellt wird, wo du jedes Mal den Kopf schüttelst?
Nein, ich weiß doch, dass das Fiktion ist. Bei „Findet Nemo“ sprechen die Fische, und da beschwere ich mich ja auch nicht bei Disney darüber.
Findest du deine Arbeit nicht ekelerregend?
Verwesung ist nichts Widerliches, sie ist notwendig für den Kreislauf des Lebens, sonst würden sich überall tote Menschen und Tiere stapeln. Maden sind außerdem aufrechte, coole, vernünftige Gegenüber. Sie sind wichtige, schöne, informative, biologisch sinnvolle Lebewesen. Ich mag aber auch Fauchschaben, die halte ich als Haustiere. Die können fauchen, und ich nehme sie mit zu meinen Vorträgen.
Vor was ekelst du dich?
Vor Leberwurst und überhaupt allen Sorten Hackfleisch, Würstchen und Co. Haare im Abfluss kann ich auch nicht leiden. Warum Menschen Milch trinken, erschließt sich mir auch nicht.
Bekommt man durch deinen Beruf eine andere Einstellung zum Tod?
Ich habe kein Konzept vom Tod. Lieb wäre mir eine Bestattung nackt im Waldboden. Ich wäre dann mit Maden und Aaskäfern im Kreislauf des Lebens und könnte mich so blitzschnell wieder in Leben verwandeln.
Du wirst als „Popstar der Wissenschaft“ charakterisiert. Wie geht man damit um?
Ich will in Ruhe meinen Kram bearbeiten und sehe mich selbst als ganz normalen Menschen. Ob andere das als bunt, schwarz oder poppig ansehen, sagt wohl mehr über andere aus als über mich. Ich sehe mich einfach als jemanden, der gerne forscht und erklärt.
Was war der skurrilste Fall, an den du dich erinnern kannst?
Für mich sind alle Fälle haargenau gleich.
Du hältst im Rahmen der „Körperwelten – eine Herzenssache“ – Ausstellung einen Vortrag am 13. August in der Osnabrück-Halle. Wie gefällt dir die Ausstellung?
Finde ich super. Im Plastinarium in Guben habe ich soeben unseren Sommerkurs für Studierende aus ganz Deutschland gemacht, und seit der Ausstellung in Köln 2000, bei der ich die gesamte Zeit vom Aufbau bis zum Abbau mitgearbeitet habe, bewundere ich Gunther und Angelina für ihre Liebe und Geduld, mit der sie durch fantastische Plastinate Anatomie für alle erklären. Aufklärung ist sehr gut, Gesundheits-Aufklärung ist Ehrensache.
Hast du jemals daran gedacht deinen Körper plastinieren zu lassen?
Wie gesagt, ich habe nix gegen Verwesung. Wenn es zu wenige Körperspender gäbe, dann ja, aber es gibt mehr als genug, so dass es auch ohne mich gut passt.