Warum ich immer zum Leichenfundort gehe

2002-07-28./29. Rechtsmedizin: Warum ich immer zum Leichenfundort gehe
Source: Rechtsmedizin 7:28-29 (2002)]]
von Mark Benecke

Quelle: Rechtsmedizin (Springer, Berlin, Heidelberg) 7:28-29 (2002) [Vortrag auf der 81. Jahrestagung der Dt. Ges. f. Rechtsmedizin in Rostock]

Tatort, Kriminologie, Suizidologie V-87

Benecke M

International Forensic Research & Consulting, Postfach 250411, 50520 Köln; forensic at benecke dot com

Das aus dem angloamerikanischen System bekannte Fachgebiet der „Forensik" als direkte und enge Verknüpfung von naturwissenschaftlicher Spurenkunde, Kriminaltechnik und Rechtsmedizin ist im deutschsprachigen (vor allem in deutschen) Raum noch ausbaufähig. Besonders bei der Fall-Gesamtschau, etwa bei Tatort-Rekonstruktionen von Handlungs-Abläufen, erbringt die Verknüpfung der verschiedenen Denk- und Arbeits-Methoden aber oft erheblichen Zusatz-Nutzen. Drei Fall-Beispiele aus den Jahren 2001 und 2002 sollen das belegen.

Fall 1: Vor Gericht wurden folgende Fragen wichtig: (a) Welche von zwei nun toten Personen (Frau, Kind) hat der weitgehend geständige Täter zuerst getötet? (b) Hatte der Täter die (misslungene) Absicht, eine dritte, überlebende Person (zweites Kind) in einem anderen Stockwerk zu töten? - Klärung durch Kombination aus rechtsmedizinischem Befund, DNA-Typisierung, Blutspurenbild-Auswertung, insektenkundlicher Untersuchung.

Fall 2: Ein Mann behauptete, seine Frau habe sich erstochen. Es sollte anhand von Tatort-Spuren geprüft werden, ob der Mann als Täter in Frage kam. Probleme: „Closed room scenario" ohne Zeugen, massive Einwirkung auf Fundort/sterbende Person durch RTW/NEF-Besatzung. Ein am Tatort befindlicher Spiegel half, das ansonsten unver-stehbare Blutspurenbild zu erklären. Techniken: Kombinatorik, experimentelle Blutspurenbild-Auswertung, Tatort-Begehung, Tatort-Si-mulation mit Versuchspersonen, rechtsmedizinischer Befund.

Fall 3: Der Bewegungs-Ablauf zweier handelnder Personen (Opfer, Täter) in einem geschlossenen Raum sollte geklärt werden. Probleme: Großflächige, scheinbar unstrukturierte Beblutungen des Raumes, rascher Abtransport der Leiche, schwere Spuren-Zerstörung am Boden durch Betreten des Fundortes. Rekonstruktion mittels verbleibendem Blutspuren-Bild, DNA-Typisierung und umfangreicher Digital-Bearbeitung von Fundort-Fotografien des ersten Angriffs. Die drei Fälle konnten durch von Beginn vernetzte, gemeinsame Arbeit umfangreich und„synergetisch" bearbeitet werden. Die gestellten Fragen wären durch die isolierte Arbeit der Einzeldisziplinen nicht beantwortbar gewesen.