Die Botschaft der Mumien

Quelle: Ulmer Kultuspiegel, Samstag, 29. Oktober 2022, Seite 23

Die Botschaft der Mumien

Von Uli Landthaler

Roxy Ulm • Mark Benecke nimmt das Publikum in der Werkhalle mit auf eine ziemlich gruselige Reise durch die Welt der Kriminalbiologie. Dabei tritt er mit Wonne auch als Appetitverderber auf.

Fernseh-Pathologen stehen hoch im Kurs. Auch zum Auftritt von Dr. Mark Benecke strömte das Publikum ins Roxy. Dabei ist dieser Doktor gar kein Arzt, sondern „nur" Biologe, Fachgebiet Kriminalbiologie. In seinem Vortrag machte das keinen merkbaren Unterschied, der wichtigste ist der: Benecke untersucht in seiner Bilderreise durch die Welt der Mumien keine Mordopfer. Er widmet sich dem menschlichen Körper nach dem Ableben, um daraus philosophische Schlüsse für das Hier und Jetzt und nicht so sehr kriminalistische Lehren zu ziehen. Und weil er das sehr gekonnt und unterhaltsam macht, ist er auf allen medialen Kanälen unterwegs. Ein Lichtbilder-Vortrag wie nun im Roxy ist nur ein Teil seines publizistischen Portfolios.

Drei Stunden Vortrag, dreifache Redegeschwindigkeit, drei Meter Büchertisch: Da hat einer was zu erzählen. Der Vortragstitel „Mumien in Palermo" bezieht sich auf einen der vielen weltweiten Einsatzorte des pathologischen Globetrotters. Die Kapuzinermönche in der sizilianischen Hauptstadt hatten über Jahrhunderte Tote als Mumien im Klosterkeller bestattet, Benecke bekam die Erlaubnis, welche zu untersuchen. „Die Mumien sind nach Beruf geordnet", hat er festgestellt, und die gehobenen Stände wie Rechtsanwälte oder hochrangige Geistliche lassen sich an den Zähnen erkennen. „Kein Sport, viel Gemüse und viele soziale Kontakte" seien Garanten für ein langes, gesundes Leben. Der Veganer Benecke hält nichts davon, Tiere zu verwerten, er unterstützt Tierrechtsorganisationen und betätigt sich mit Wonne als Appetitverderber:

„Eine Salami oder ein Schinken sind nichts anderes als mumifizierte Reste von Tierleichen". Mumifizieren sei der Vorgang des Austrocknens, wenn warme Luft die Feuchtigkeit abtransportiere, wodurch die sterblichen Überreste konserviert werden und dem Kriminalbiologen auch viele Jahre später über ihr Leben erzählen. Und zwar mithilfe der Insekten: Ob jemand am Waldrand gestorben ist, erkenne man daran, ob sich Reste von Fliegen bei ihm finden, die dort leben. Die Jahreszeit des Todes erkenne er anhand der Pollen in den Nebenhöhlen, die kurz vor dem Tod eingeatmet wurden. „Wenn es überhaupt noch Jahreszeiten gibt".

Der Klimawandel und seine wissenschaftlichen Belege sind eine der Unannehmlichkeiten, vor denen der Biologe sein Publikum nicht verschont. Bei seinen Vortragsabenden und praktischen Pathologie-Einsätzen von den USA bis in die Philippinen werde er als vertrauenswürdig eingestuft, weil er die Regeln des Gastgeberlandes achte und nicht als besserwissender Deutscher allen erzähle, wie man es richtig macht.

Die Kapuzinermönche in Palermo haben ihm ihre Mumien anvertraut, weil er ihnen neutral und wissenschaftlich seriös seine Erkenntnisse dargelegt hat – ohne religiöse Gefühle anzutasten. Dabei glaubt er selber nicht an das ewige Leben. „Nach dem Tod ist nicht alles vorbei. Es warten Fliegen, Maden und Insekten" – bereit, den Menschen in den natürlichen Kreislauf zurückzuführen. Und das sei gut so und solle nicht durch „Unsinn" wie Feuerbestattungen verhindert werden.

Harter Tobak, untermauert vom entsprechenden drastischen Bildmaterial. Aber der Kölner Vielzweck-Kriminalbiologe bereitet das so unterhaltsam auf, dass die Leute im Roxy nicht nur drei Stunden durchhielten, sondern auch den Bücherstand belagerten. Das Palermo-Projekt ist übrigens beendet. Die Stadt sei „abgerockt", sagt Benecke, weil die Mafia alles Geld für sich abzweige, auch die EU-Fördergelder für die museale Aufbereitung des Mumien-Kellers. Die Förderung wurde daher gestrichen, die Mönche und ihre Mumien müssen auf ihr neues Museum weiter warten.


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