2014 10 Westfalen-Blatt: Fliegen und Maden als Mitarbeiter

Quelle: Westfalen-Blatt, Lokales Bielefeld, Nr. 235, 10. Oktober 2014, Seite

Fliegen und Maden als Mitarbeiter

Kriminalbiologe Mark Benecke über Insekten, Donaldismus und Dudeismus

VON SABINE SCHULZE [Hier gibt's das Interview als PDF]

B i e l e f e l d (WB). Er war an der Bearbeitung spektakulärer Fälle beteiligt und wird von der Polizei (und Privatleuten) gerufen, um biologische Spuren an einem Tatort auszuwerten: Dr. Mark B e n e c k e ist Kriminalbiologe und Spezialist für forensische Insektenkunde. Regelmäßig tritt er im Fernsehen auf. Gestern gastierte er in der Oetkerhalle. WESTFALEN-BLATT-Redakteurin Sabine S c h u l z e hat vorher mit ihm gesprochen. 

Dr. Benecke, an wie vielen Fällen haben Sie bereits gearbeitet?

Das lässt sich kaum noch sagen. In einer Wand voll Akten haben wir 870 Fälle gesammelt, es war aber sicher das Doppelte.

20.15 Uhr, ist in Deutschland Tatort-Zeit. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Ich sehe nicht fern und habe noch nie im Leben einen Tatort gesehen. Ich mag keine Fiktion und lese deshalb auch keine Romane.

Gibt es Fälle, die Ihnen nahe gehen?

Jeder Fall ist auf seine Art ungewöhnlich. Aber die kleinen Fälle nehmen mich eher mit, wenn zum Beispiel Angehörige betroffen sind, wenn eine ganze Familie unter einem völlig unsinnigen, unnötigen Delikt leidet. Das ärgert mich. Oder wenn – wie in einem Fall – ein Vater, der nach Hause kommt, seine Tochter auf dem Speicher festgenagelt findet und als erstes als Täter verdächtigt wird. Er hatte aber nichts gemacht, das war zutiefst ungerecht.

Was empfinden Sie, wenn Sie an Tatorte kommen? Empathie? Mitleid? Oder, wenn Blut oder Gehirnmasse verspritzt sind, Ekel?

Nein. Das lässt mich nicht kalt, aber ich finde das vor allem interessant. Ich suche Spuren und analysiere sie.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Fliegen und Maden?

Das sind für mich Mitarbeiter.

Sie halten sich als Haustierchen Fauchschaben. Ist ja auch nicht jedermanns Sache. Was ist für Sie an Insekten so toll?

Das sind die erfolgreichsten Lebewesen und extrem anpassungsfähig. Es ist faszinierend, wie sie in sehr vielen Nischen überleben.

Sie sind, mit Verlaub, auch ein wenig schräg: Anhänger des Dudeismus und des Donaldismus. . .

Donaldismus ist eine Wissenschaft, die sich mit der Überlieferung des Zeichners Carl Barks und der Texterin Dr. Erika Fuchs befasst. Das Leben in Entenhausen darf nur wissenschaftlich ergründet werden. So ist zum Beispiel von einem Kollegen die elektrische Spannung in Entenhausen erforscht worden.

Und?

313 Volt. Das ist interessant, weil das auch das Autokennzeichen von Donald Duck ist.

Und was hat es mit dem Dudeismus auf sich? (Anmerkung: Er ist benannt nach dem Film »The Big Lebowski« mit Jeff Bridges. Lebowski nennt sich selbst »Dude«)

Das ist eine Glaubenseinstellung. Hier geht es nicht um Beweise.

Und was können wir vom Dude Lebowski lernen?

Den Ball flach zu halten, zu respektieren, dass ein anderer eine andere Meinung hat, dass es aber eben auch nicht mehr ist als das. Und dass man Scheitern und doch eine positive Einstellung haben kann. Da gibt es Überschneidungen zum Donaldismus und zum Kölschen Grundgesetz: Et hätt noch emmer joot jejange, und et kütt wie et kütt.

Sie sind auch Mitglied der Partei »Die PARTEI«. Welcher Buchstabe ist Ihnen besonders wichtig? Das T für Tierschutz? (Anmerkung: Benecke ist Vegetarier, in der Tierschutzorganisation Peta engagiert und gegen die Haltung von Zirkustieren)

Ich bin sogar der Landesvorsitzende; Ihr Landesvorsitzender. Und ich stehe mit meiner ganzen Person für jedes Komma der Partei.

Und wie würden Sie ihre Arbeit als Kriminalbiologe noch schaffen, sollten Sie in den Landtag gewählt werden?

Das würde schon klappen. Vor allem hätte ich aber immer genug Kleingeld dabei, damit ich mir im Landtag ein Getränk kaufen könnte. Da gibt es übrigens auch Alkohol.

Ihr Publikum darf sich bei den Vorträgen selbst Fälle aussuchen, über die Sie berichten?

Nicht Fälle, sondern Themengebiete wie Aliens, Maden an Leichen oder plötzliche Selbstentzündung von Menschen.

Ich könnte von selbst anfangen zu brennen?

Das passiert nur alten Frauen mit nackten Beinen.

Also immer Strümpfe tragen. . .

Außerdem passiert das nur in geschlossenen Räumen. Aber das ist jetzt in der Schnelle des Interviews zu kompliziert.

Sie waren auch einmal Sänger bei den Blonden Burschen. Blond sind Sie aber nicht.

Keiner von uns war blond. Und ich kann auch nicht singen.

Hauptsache, es hat Spaß gemacht.

Uns schon. Dem Publikum??? Das weiß ich nicht.

So lange Sie nicht beworfen wurden. . .

Nur mit Slips.

Mit herzlichem Dank an die Westfalen-Blatt-Redaktion für die Freigabe und die Genehmigung zur Veröffentlichung.