Beneckes Bücherschrank: Die zarte Hand des Todes. Wenn Frauen morden.

2002 Sero News: Beneckes Bücherschrank (9b)

Quelle: SeroNews Nr. 4/2002 (Vol. 7), S.104

Die zarte Hand des Todes. Wenn Frauen morden.

Beneckes Bücherschrank (9b)

Von Mark Benecke

Peter Hiess, Christian Lunzer (2002) Die zarte Hand des Todes. Wenn Frauen morden. Ueberreuter, 229 Seiten, Hardcover (und schöner Schutzumschlag!), 19,90 €

Hier gibt es wieder durch und durch wahre Schilderungen von Verbrechen, diesmal allerdings nur von Frauen begangener. „Mann, sei vorsichtig“, raten die Autoren daher im Vorwort, bevor der Reigen sich ordentlich zu drehen beginnt. Neben den Klassikerinnen Zwanziger und Gottfried (Gift-Beibringung) finden auch „Blutgräfin“ Erzsébeth Báthory (scharfe Gewalt) am einen und Monika Weimar (Atem-Behinderung) am anderen Ende ihren Platz im femininen Tötungs-Kabinett.

Das ist erfreulich, denn ein solcher Bogen wird in Buchform und deutscher Sprache nur etwa alle fünf Jahre über das schwache Geschlecht gespannt. Zwar handelt es sich hier streng genommen bloß um eine Neuzustammenstellung und –erzählung von bereits bekannten Berichten, mir gefällt aber der frische Stil der beiden Autoren, die auch schon das knorke Buch „Mord-Express“ (wahre Verbrechen im Zusammenhang mit Zügen) gemeinsam geschrieben haben. Außerdem sind alle Geschichten sauber zusammengefügt, und auch die Quellen sind angegeben, im Fall von Frau Báthory etwa Michael Farins „Heroine des Grauens“ und im Fall der Zwanziger der alte Feuerbach. Wohl getan.

Das alles wäre nicht zwingend der Empfehlung wert, wenn das Buch nicht noch mit schönen Fällen aus der übrigen bis modernen Welt gefüllt wäre, die kaum ein Mensch kennt. Darunter tummeln sich Violette Nozière (geboren 1915; „zu behaupten, die wäre von ihren Eltern verzogen worden, ist wahrscheinlich noch untertrieben“) samt einer immer gerne gesehenen Ablichtung derselben (nackt, schielend und mit Zylinder am Weihnachts-Baum), die etwas zu gesprächige Diane Downs (Tötungsdelikt aus dem Jahr 1983) sowie, geradezu als Dessert, die Köchin Mary Knight (Prozess-Beginn: 2001). Sie beherrschte das Kunst-Stück, einer toten Person die Haut so abzuziehen, dass diese „ohne Probleme und Falten wieder um den Leichnam gelegt werden konnte“. Leider war das kein verkorkst poetisches Spiel mit der Schindung des Marsyas bzw. Heiligen Bartholomäus: Die Psychiater erkannten, etwas einfallslos, auf „Picquerismus“, eine angeblich sexuelle Eigentümlichkeit, die sich auf „Stechen mit spitzen Gegenständen“ bezieht. Warum einige Polizisten während und nach der Bearbeitung des Falles Knight wegen Ess-Störungen behandelt werden mussten, soll der Spannung halber hier nicht verraten werden.

In der B-Note gibt es minimale Abstriche für Die zarte Hand des Todes, beispielsweise für die Verwendung des Begriffes „die Herren Anwälte“, der doch ein bißl hohl und abgedroschen ist. In rechtsmedizinische Tiefen begeben sich die Autoren sicherheitshalber nicht – tun sie es, so kommen sie ins Schlittern (Seite 36: Kohlendioxid-Spiegel zum angeblichen Nachweis einer Gas-Vergiftung). Außerdem: Kein Register! Tstststs!

Ansonsten ist der Text einwandfrei geschrieben und lektoriert. Das Buch gehört in das Reise- bzw. Kongress-Gepäck aller deutschsprachigen ForensikerInnen, BestatterInnen und PräparatorInnen, die sich in Regional-Expressen oder einem bereits im letzten Jahr gehörten Vortrag befinden und dabei stilvolle Ablenkung suchen. Ein schönes Geschenk für Gleichgesinnte und/oder Kriminal-FreundInnen ist das vom Verlag mit Liebe in den Druck gegebene und kleinen Totenköpfen als Absatz-Marken geschmackvoll bestückte Buch auch.